Entschädigungsfestsetzung im Rahmen einer Enteignung
Ein Entschädigungsfestsetzungsverfahren kann von der Bezirksregierung Münster durchgeführt werden, wenn eine Enteignung grundsätzlich möglich ist, die Beteiligten sich aber nur über die Höhe der Entschädigung nicht einigen können.
Die Enteignungsbehörde ist auch zuständig für reine Entschädigungsfestsetzungen nach anderen Fachgesetzen. Hierunter fallen zum Beispiel Entschädigungsfestsetzungen nach § 20 Abs. 5 Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen.
Das Entschädigungsfestsetzungsverfahren gleicht vom Ablauf her dem Enteignungsverfahren. Es ist ebenfalls ein förmliches Verwaltungsverfahren. Die Verfahrensvorschriften gelten entsprechend.
In jedem Stadium des Verfahrens ist die Enteignungsbehörde dabei bemüht, auf eine Einigung zwischen den Beteiligten hinzuwirken.
Antrag auf Entschädigungsfestsetzung
Sowohl die Entschädigungsberechtigten als auch der Entschädigungsverpflichtete können den Antrag auf Entschädigungsfestsetzung bei der Enteignungsbehörde stellen. Waren Nebenberechtigte an der Einigung beteiligt, können auch sie einen Entschädigungsfestsetzungsantrag einbringen.
Der Antrag muss insbesondere die betroffenen Grundstücksflächen sowie die Beteiligten mit Namen und Anschrift angeben. Soll ein privatrechtlicher Vertrag die Grundlage des Verfahrens sein, ist dieser dem Antrag beizufügen.
Alle Angaben, die der Antrag enthalten muss, finden Sie in dem "Merkblatt für den Antrag auf ein Entschädigungsfestsetzungsverfahren" im Downloadbereich.
Anhörung
Nach Eingang der Antragsunterlagen ermöglicht die Enteignungsbehörde den Beteiligten eine Stellungnahme zum Entschädigungsfestsetzungsantrag.
Beteiligte
Beteiligte in einem Entschädigungsfestsetzungsverfahren sind insbesondere
- Entschädigungsverpflichtete (in der Regel ist das der Projektträger, zum Beispiel die Straßenbaubehörde oder die Kommune) und
- Grundstückseigentümer.
Wertgutachten
Der zuständige unabhängige Gutachterausschuss für Grundstückswerte oder ein öffentlich bestellter und vereidigter Gutachter bewertet im Auftrag der Enteignungsbehörde in der Regel das Grundstück.
Das Wertgutachten berücksichtigt den eingetretenen Rechtsverlust, wie die Landabgabe, und andere durch die Enteignung eingetretenen Vermögensnachteile. Dies kann zum Beispiel die Wertminderung einer Restfläche sein.
Die Enteignungsbehörde versendet das Wertgutachten an alle Beteiligten.
Auf Basis des Wertgutachtens versucht die Enteignungsbehörde, eine Einigung zwischen den Parteien zu erreichen.
Ladung zur mündlichen Verhandlung
Einigen sich die Betroffenen auf Grundlage des Gutachtens nicht gütlich, terminiert die Enteignungsbehörde eine mündliche Verhandlung. Sie lädt alle Beteiligten mindestens einen Monat im Voraus ein. Während dieser Ladungsfrist können die Beteiligten weitere Unterlagen nachreichen beziehungsweise Stellungnahmen oder Erklärungen abgeben.
Öffentliche Bekanntmachung
Um eventuelle Drittberechtigte ermitteln zu können, kann die Behörde die Einleitung des Entschädigungsfestsetzungsverfahrens und den Termin der mündlichen Verhandlung ortsüblich öffentlich bekannt machen.
Mündliche Verhandlung
Die mündliche Verhandlung ist kein öffentlicher Termin. Es dürfen nur die Beteiligten und ihre Bevollmächtigten daran teilnehmen.
In der Verhandlung wird die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Enteignungsbehörde versucht dabei weiterhin zwischen den Parteien zu vermitteln, um eine für alle Seiten tragbare Lösung zu finden.
Einigung
Kann eine Einigung erzielt werden, beurkundet die Enteignungsbehörde diese. Die Einigungsurkunde entspricht einem notariellen Vertrag und regelt abschließend die Höhe der Entschädigung.
Entschädigungsfestsetzungsbeschluss
Wenn keine Einigung zwischen den Parteien zustande kommt, entscheidet die Enteignungsbehörde durch Beschluss über den Entschädigungsantrag. Der Entschädigungsfestsetzungsbeschluss regelt nur die Höhe der Entschädigung und nur ausnahmsweise auch die Art der Entschädigung. Weitere offene Punkte, wie zum Beispiel die Eigentumsübertragung oder die Lastenfreistellung der Entzugsflächen bleiben in diesem Verfahren außen vor.
Die Enteignungsbehörde orientiert sich bei der Festsetzung der Entschädigungshöhe in der Regel an dem Wertgutachten.
Rechtsbehelf
Mit einem Rechtsbehelf können Betroffene den Beschluss der Enteignungsbehörde überprüfen lassen. Dafür stellen sie innerhalb eines Monats einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung bei der Bezirksregierung Münster als Enteignungsbehörde. Über den Antrag entscheidet die Baulandkammer des Landgerichtes Arnsberg.
Entschädigungsfestsetzung – außerhalb der Enteignung
Die Enteignungsbehörde ist nicht nur für Entschädigungen bei Enteignungen, sondern auch für Entschädigungsfestsetzungen außerhalb der Enteignung zuständig. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn Grundstückseigentümer:innen grundsätzlich zum Verkauf der benötigten Fläche oder zur Belastung des Eigentums bereit sind, sich die Beteiligten nur über den Preis nicht einigen. In diesen Fällen können die Beteiligten einen Notarvertrag schließen, der die Höhe des Kaufpreises und weitere Ansprüche offen lässt. In der Regel wird ein Vorabvertrag geschlossen. Darin verpflichten sich die Eigentümer:innen unter Entschädigungsvorbehalt zur Eigentumsübertragung oder -belastung. Zugleich erteilen sie die Bauerlaubnis.
Die endgültige Entschädigungshöhe klärt die Enteignungsbehörde in einem separaten Entschädigungsfestsetzungsverfahren. Die Regelung einzelner Entschädigungspositionen im Notarvertrag steht der Einleitung eines Entschädigungsfestsetzungsverfahrens nicht entgegen. Die Enteignungsbehörde regelt dann nur noch die strittig verbliebenen Fragen.
Die Enteignungsbehörde ist auch zuständig für reine Entschädigungsfestsetzungen nach anderen Fachgesetzen, zum Beispiel nach § 20 Abs. 5 Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen.
Bei der Entschädigungsermittlung gelten die gleichen Grundsätze, die auch in einem Enteignungsverfahren angewandt werden.
Nur gegen Entschädigung ist eine Enteignung zulässig. So bestimmt es Artikel 14 Absatz 3 des Grundgesetzes. Die Entschädigung für eine Enteignung ist kein Schadensersatz, sondern ein Wertausgleich für den erlittenen Rechtsverlust. Die Entschädigung umfasst nicht die durch die Enteignung möglicherweise entgangenen Chancen und Gewinne.
Die Enteignungsentschädigung setzt sich zusammen aus:
- der Entschädigung für den Rechtsverlust (bemisst sich nach dem Verkehrswert) und
- der Entschädigung für andere Vermögensnachteile (Folgeschäden).
Das Gesetz gewährt die Entschädigung in der Regel in Geld. In Ausnahmefällen setzt es die Entschädigung auch in Ersatzland fest.
Entschädigung in Ersatzland
Auf Antrag kann die Bezirksregierung Entschädigung in Ersatzland gewähren, wenn
- der Eigentümer/die Eigentümerin auf Ersatzland angewiesen ist
- zur Sicherung seiner Berufs-/Erwerbstätigkeit oder
- zur Erfüllung der ihm wesensgemäß obliegenden Aufgaben und
- Ersatzland zur Verfügung steht oder Ersatzland zu angemessenen Bedingungen beschafft werden kann.
Verkehrswert
Der Verkehrswert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zu erzielen wäre. In der Regel ermittelt der zuständige Gutachterausschuss für Grundstückswerte oder ein von der Enteignungsbehörde beauftragter öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständige den Verkehrswert.
Kriterien der Wertermittlung
Kriterien, die die Wertermittlung beeinflussen, sind unter anderem:
- Lage,
- Bodenbeschaffenheit,
- Größe,
- Grundstücksgestalt,
- Art und Maß der baulichen Nutzbarkeit,
- Erschließungszustand,
- Gebäudewerte und
- Werte sonstiger Anlagen.
Die Wertermittlung richtet sich stets nach den Umständen des Einzelfalles, jedoch ohne Berücksichtigung von ungewöhnlichen oder persönlichen Verhältnissen.
Verfahren zur Verkehrswertermittlung
Zur Verkehrswertermittlung von Grundstücken werden hauptsächlich drei Verfahren angewandt:
Vergleichswertverfahren (§§ 15 ff. ImmoWertV)
Das Vergleichswertverfahren eignet sich nur für die Ermittlung des Verkehrswertes unbebauter Grundstücke und ist eine von der Rechtsprechung anerkannte Methode. Der Verkehrswert wird dabei aus dem Mittelwert von Kaufpreisen vergleichbarer Grundstücke abgeleitet.
Voraussetzung für die Anwendung dieser Methode ist:
- Es müssen in ausreichender Anzahl Kaufpreise geeigneter Vergleichsgrundstücke zur Verfügung stehen.
- Die Vergleichsgrundstücke und das zu begutachtende Grundstück müssen nach den wertbildenden Merkmalen hinreichend übereinstimmen.
- Kaufpreise, die durch ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse beeinflusst sind, dürfen in den Vergleich nicht einfließen.
Bodenrichtwerte
Neben oder anstelle von Vergleichspreisen können Gutachter:innen geeignete Bodenrichtwerte heranziehen. Ein Bodenrichtwert ist ein durchschnittlicher Wert je Quadratmeter für ein Gebiet mit im Wesentlichen gleichen Nutzungs- und Wertverhältnissen. Berücksichtigt wird der vorhandene Entwicklungszustand.
Die unabhängigen Gutachterausschüsse ermitteln in regelmäßigen Zeitabständen die Bodenrichtwerte anhand ihrer Kaufpreissammlungen.
Ertragswertverfahren (§§ 17 ff. ImmoWertV)
Das Ertragswertverfahren wird in der Regel angewendet bei
- bebauten Grundstücken, die vermietet oder verpachtet werden, um Ertrag zu erzielen,
- bei bebauten Grundstücken, die für Produktions- oder Dienstleistungszwecke eigengenutzt werden,
- bei Grundstücken, die über abbauwürdige Bodenschätze (zum Beispiel Kies, Sand, Ton) verfügen.
Im Ertragswertverfahren setzt sich der Grundstückswert zusammen aus
- dem Bodenwert und
- dem Wert der baulichen Anlagen.
Die zwei Werte werden zunächst getrennt ermittelt und dann zum Ertragswert des Grundstücks zusammengefasst. Der Verkehrswert ergibt sich jedoch nicht nur aus der mathematischen Addition; sondern auch sonstigen den Wert beeinflussenden Umständen, soweit sie noch nicht erfasst sind. Des Weiteren ist die Lage auf dem Grundstücksmarkt zu berücksichtigen. Der Markt bestimmt den Verkehrswert.
Bodenwert
Der reine Bodenwert wird auch hier im Allgemeinen nach den Grundsätzen des Vergleichswertverfahrens berechnet, während der Wert der baulichen Anlagen nach dem Ertragswertverfahren ermittelt wird.
Bauliche Anlagen
Bei der Ermittlung des Ertragswertes der baulichen Anlagen ist von dem nachhaltig erzielbaren jährlichen Reinertrag des Grundstücks auszugehen. Der Reinertrag ergibt sich aus dem Rohertrag (zum Beispiel Mieten und Pachten) abzüglich der Bewirtschaftungskosten (zum Beispiel Betriebs- u. Instandhaltungskosten).
Sachwertverfahren (§§ 21 ff. ImmoWertV)
Das Sachwertverfahren eignet sich für Grundstücke, bei denen für den Nutzer nicht die Ertragserzielung im Vordergrund steht. Es ist insbesondere bei Objekten anzuwenden, die am Grundstücksmarkt nach ihrem Substanzwert gehandelt werden, wie zum Beispiel Einfamilienhaus-Grundstücke.
Der Sachwert des Grundstücks setzt sich zusammen aus
- dem Bodenwert,
- dem Wert der baulichen Anlagen (zum Beispiel Gebäude, besondere Betriebseinrichtungen, Garagen) und
- dem Wert der sonstigen Anlagen (zum Beispiel Außenanlagen wie Terrassen).
Die einzelnen Werte werden zunächst gesondert ermittelt und ergeben zusammen den Sachwert des Grundstücks. Der Verkehrswert ergibt sich jedoch auch hier nicht allein aus der mathematische Addition; sonstige den Wert beeinflussende Umstände und die Lage auf dem Grundstücksmarkt sind ebenfalls zu berücksichtigen. Es kommt darauf an, was mögliche Käufer zahlen würden.
Bodenwert
Der reine Bodenwert wird auch hier im Allgemeinen nach den Grundsätzen des Vergleichswertverfahrens berechnet, während der Wert der baulichen und sonstigen Anlagen nach den Herstellungswerten zu ermitteln ist.
Gebäude- und Anlagenwert
Der Herstellungswert von Gebäuden ist unter Berücksichtigung ihres Alters und von Baumängeln/Bauschäden sowie sonstiger wertbeeinflussender Umstände zu ermitteln.
Der Herstellungswert von Außenanlagen und sonstigen Anlagen wird, soweit sie nicht vom Bodenwert miterfasst werden, nach Erfahrungssätzen oder nach den gewöhnlichen Herstellungskosten ermittelt.
Diese drei Verfahren zur Verkehrswertermittlung werden in der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (Immobilienwertermittlungsverordnung - ImmoWertV) näher definiert.
Der Projektträger trägt in der Regel die Kosten des Entschädigungsfestsetzungsverfahrens.
Kosten können entstehen durch:
- Amtshandlungen der Enteignungsbehörde (Verwaltungsgebühr),
- Erstellung von Gutachten
- sonstige Aufwendungen (zum Beispiel Fahrtkosten)
- Zuziehung eines Rechtsbevollmächtigten
Wenn die Betroffenen einen Rechtsanwalt oder sonstigen Bevollmächtigten hinzuziehen, erkennt die Enteignungsbehörde dies in der Regel als notwendig an. Somit sind auch diese Aufwendungen vom Projektträger zu übernehmen.
Den Entschädigungsfeststellungsbeschluss können die Betroffenen gerichtlich überprüfen lassen. Hierzu ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung bei der Bezirksregierung Münster zu stellen. Über den Antrag entscheidet die Baulandkammer des Landgerichtes Arnsberg.