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Europa und Bildung


Europa erleben und vermitteln
Gelsenkirchener Lehrerin bringt Schülern Europa näher

Frau steht vor einer Glasscheibe

Mónia Miranda Gibson unterrichtet am Berufskolleg Königstraße der Stadt Gelsenkirchen die Fächer Deutsch und Englisch. © Benjamin Ehrenberg

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Interview mit Mónia Miranda Gibson

Ihre schulische und berufliche Laufbahn ist international: Geboren wurden Sie in Portugal, haben eine Grundschule in Cuxhaven besucht und sind dann wieder für die weiterführende Schule und Studium zurück nach Portugal gezogen. Während des Studiums haben Sie Stationen in Hamburg und den USA gemacht. Wie haben Sie Ihren ersten Umzug erlebt?

Mónia Miranda Gibson: Meine Eltern entschieden 1984, wieder nach Portugal zu gehen, da sich ihr Arbeitgeber in Cuxhaven in einer wirtschaftlich schwierigen Lage befand. Mein Vater sagte zu mir und meinen Schwestern: „Verliebt euch ja nicht vor unserer Rückkehr nach Portugal.“

Es war schon etwas schwierig. Ich erinnere mich, in der deutschen Schule schrien uns viele deutsche Kinder „Ausländer raus“ hinterher, und dann - nach unserer Rückkehr in Portugal - waren wir immer noch „Ausländer“. Ich habe nicht unbedingt darunter gelitten, weil ich mich auch sehr schnell anpassen kann. Dadurch musste ich mich bereits in jungen Jahren mit der Identitätsfrage beschäftigen. Letztendlich hat mich diese Erfahrung positiv geprägt und mich wachsen und reifen lassen.

Sie studierten in Portugal auf Lehramt. Danach waren Sie dort viele Jahre als Deutsch- und Englischlehrerin tätig. Was begeistert Sie so am Lehrerberuf?

Mónia Miranda Gibson: Eigentlich wollte ich Profilerin werden und mit der Polizei zusammenarbeiten. Wie Menschen denken, warum sie dieses oder jenes tun, hat mich schon immer begeistert. Von allen Seiten, besonders von meinen Mitschülern, hörte ich aber immer wieder, ich solle Englisch- und Deutschlehrerin werden, weil ich gut erklären könne und einen sehr guten Umgang mit jungen Menschen habe. Ich liebe es, Sprachen zu lernen und so bin ich irgendwann Lehrerin geworden.

Wie kam es zu der Entscheidung, Ihren beruflichen Schwerpunkt nach Deutschland zu verlagern?

Mónia Miranda Gibson: Ich habe einen deutschen Mann geheiratet. Was damals mein Vater „verhindern“ wollte, dass wir uns in einen deutschen Jungen verlieben, ist dann später doch passiert.

Im Jahr 2009 waren Sie in den USA im Rahmen des Programms Work & Travel. Warum sind Sie gerade in die USA gereist?

Mónia Miranda Gibson: In Portugal werden Filme nur im Original gezeigt. Ich habe daher parallel zum Englischunterricht ab der 5. Klasse immer die Untertitel der Filme zugedeckt, um ganz in die englische Sprache einzutauchen. So entstand die Liebe zu Amerika und zum amerikanischen Akzent. Als leidenschaftliche Harley-Davidson-Fahrerin wollte ich natürlich in die USA, um dort die Route 66 zu befahren. So konnte alles miteinander verbinden. Und wo kann man eine Sprache am besten lernen? Da, wo sie gesprochen wird.

In welcher Weise nutzen Ihnen ihr „internationaler“ Hintergrund und ihre „internationale“ Ausbildung für die Tätigkeit als Lehrerin an einem Berufskolleg?

Mónia Miranda Gibson: Es erweitert meinen kulturellen Horizont und macht mich toleranter. Dies versuche ich auch meinen Schülerinnen und Schülern zu vermitteln. An unserer Schule gibt es ungefähr 35 Nationalitäten. Dadurch, dass unsere Schule sehr „international“ ist, fällt dies nicht schwer. Als Englischlehrerin sage ich meinen Schülerinnen und Schülern immer wieder, dass es wichtig ist, Englisch zu sprechen. So haben sie es leichter, wenn sie irgendwann im Ausland tätig sein sollten.

Seit 2010 sind Sie als Lehrerin für die Fächer Deutsch und Englisch am Berufskolleg Königstraße in Gelsenkirchen tätig und zusätzlich Ansprechpartnerin für Erasmus+ Projekte und Strategische Schulpartnerschaften. Warum engagieren Sie sich für Europa?

Mónia Miranda Gibson: Bei der Teilnahme an internationalen europäischen Projekten geht es nicht nur darum, dass Schülerinnen und Schüler ihren Horizont erweitern und mehr Toleranz entwickeln, sondern sie die Möglichkeit haben, ein Praktikum im Ausland zu absolvieren oder an Austauschprojekten teilzunehmen. Unsere Schülerinnen und Schüler haben nicht viele oder gar keine finanziellen Mittel, solche Erfahrungen eigenständig zu sammeln. Also schreiben wir Erasmusanträge, die bisher zu 90 Prozent genehmigt wurden. Vor Kurzem sind eine Gruppe Schülerinnen und Schüler und zwei Lehrerinnen nach Sofia in Bulgarien gereist. Die Reise stand unter dem Motto: „Mit allen Sinnen Sprache und Kultur erleben“. Das ist das, was wir im Europateam erreichen wollen - Schüler dazu zu bewegen, im Ausland Erfahrungen zu sammeln und sich zusätzlich für die Zukunft zu qualifizieren.

Im November 2018 wurde das Berufskolleg Königstraße zur Europaschule zertifiziert. Was bedeutet Ihnen diese Zertifizierung?

Mónia Miranda Gibson: Wir sind sehr stolz auf unsere Arbeit und hoffen, dass wir dadurch (noch) mehr junge Leute für unsere Schule begeistern können. Wir sind nun das einzige Berufskolleg in Gelsenkirchen, das sich zertifizierte Europaschule nennen darf. Vor allem profitieren unsere Schülerinnen und Schüler von den vielen damit verbundenen Angeboten.  

Beeinflusst die Teilnahme an europäischen Projekten möglicherweise den weiteren Lebensweg Ihrer Schülerinnen und Schüler?

Mónia Miranda Gibson: Ich hoffe, dass sie durch die Teilnahme an europäischen Projekten ihren kulturellen, beruflichen und menschlichen Horizont erweitern können. Die Schülerinnen und Schüler, die schon an Projekten teilgenommen haben, sprechen heute immer noch davon. Sie haben Freundschaften geschlossen, Arbeitserfahrungen sammeln können und diese dann später im Betrieb umgesetzt. Aufgrund ihrer positiven Erfahrungen motivieren sie andere, ebenfalls teilzunehmen und sich den Herausforderungen zu stellen.

Es gibt bereits viele Angebote für junge Menschen, um Europa besser kennenzulernen. Gibt es Bereiche, in denen noch „Verbesserungsbedarf“ besteht?

Mónia Miranda Gibson: Meiner Meinung nach besteht „Verbesserungsbedarf“ im Bereich der Anerkennungsverfahren von Befähigungen. Wir motivieren Schülerinnen und Schüler ins Ausland zu gehen, aber wie sieht es dann mit der Anerkennung ihrer beruflichen Zertifikate aus, wenn sie tatsächlich im europäischen Ausland arbeiten möchten?  Von den Ausbildungsbetrieben würden wir uns wünschen, die Teilnahme an internationalen Projekten zu ermöglichen und einer Freistellung zuzustimmen. Dies hat in der Vergangenheit leider nicht immer geklappt.

Wie machen Sie jungen Menschen Mut, an Europa zu glauben und sich für ein vereintes Europa einzusetzen?

Mónia Miranda Gibson: Wir bringen unseren Schülerinnen und Schülern den europäischen Gedanken näher. Zum Beispiel haben wir vor Kurzem unsere Brexit-Ausstellung eröffnet, an der auch sehr viele Schülerinnen und Schüler teilgenommen haben. Auch im Englisch- und   Politikunterricht versuchen wir, die Schüler anhand des Brexit-Beispiels davon zu überzeugen, dass es wichtig ist, zur Wahl zu gehen. Wir zeigen Videoclips von Interviews mit Menschen aus unsere Partnerstadt Newcastle, in denen sie ihre Meinung zum Brexit und möglichen Folgen darlegen.

Die Auseinandersetzung unserer Schülerinnen und Schüler mit dem Thema Brexit und seinen möglichen Folgen und ihre Überlegungen zur Bedeutung eines vereinten Europas dienen als Aufruf für unsere Schülerinnen und Schüler, sich an der kommenden Europawahl im Mai 2019 aktiv zu beteiligen. Sie sollen erkennen, dass sie ihre Zukunft mitgestalten können. Gemeinsam sind wir stark und so soll es auch bleiben!

Vielen Dank für das Gespräch!

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